Aïssatou Bouba, Detlev Quintern (Hg.)
Das Bild von Afrika
Von kolonialer Einbildung zu transkultureller
Verständigung.
Interdisziplinäre Beiträge zum Afrikabild in den
Wissenschaften
Berlin, Juli 2010, ca. 190 Seiten; € 24,90; ISBN
978-3-89998-182-7
Über das Buch:
Noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts erscheint Afrika
als ein dunkler und randständiger Kontinent, dem in
einer globalisierten Welt kaum weiter Bedeutung beizumessen
sei.
Ein Bild, das sich auf vermeintlich wissenschaftliche Grundlagen
stützte, sei es in den Geistes-, Sprach- oder Wirtschaftswissenschaften.
Vorstellungen von Afrika als einem dunklen Kontinent oder
einem hilfsbedürftigem „Kinderland“ –
wie dies bereits G. F. W. Hegel im 19. Jahrhundert gesehen
hatte – wirken bis in die Wissenschaften der Gegenwart
fort. Ein notwendiges Neuverständnis verlangt nach
einer kritischen Rückschau.
Der vorliegende Band versammelt interdisziplinäre Beiträge
von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Afrika
und Europa, um, jenseits vorgeprägter Bilder, Wege
einer gänzlich neuen „Entdeckung“ Afrikas
einzuschlagen, die sich im Prozess transkultureller Verständigung
erst eröffnen.
Mit Beiträgen von Dela Apedjinou, Aïssatou Bouba,
Cheikh M' Backé Diop, Karam Khella, Roland Kießling,
Detlev Quintern, David Simo und Michael Spöttel.
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Rezension:
Dieser Sammelband widmet sich dem Bild von Afrika in den Wissenschaften – und dabei muss festgestellt werden, dass die Wissenschaften nicht frei von solchen Bildern sind oder diese gar selbst in die Welt gesetzt haben. Gerade die Philosophie hat hier eine durchaus unrühmliche Rolle gespielt, erinnert sei an Kants Rassentheorie oder Hegels These von Afrika als einem statischen und geschichtslosen Kontinent. Der Band analysiert das Bild von Afrika in verschiedenen Disziplinen, sowohl aus europäischer als auch aus afrikanischer Sicht: fünf von acht AutorInnen stammen aus Afrika...
Im Zentrum der Auseinandersetzung aller Beiträge dieses Bandes steht die Frage nach dem den Wissenschaften je zugrunde liegenden Menschen- und Gesellschaftsbild, denn, wie es im einleitenden Beitrag von Aïssatou Bouba und Detlev Quintern »Zur Verwissenschaftlichung des europäischen Afrikabildes« heißt, den »Wissenschaften [kam und kommt] eine entscheidende Verantwortung zu …; sie sind es, die über das intellektuelle und materielle Vermögen verfügen, dualistische Menschenbilder zu erfinden oder aber den ›Anderen‹ im Denken zu überwinden, um einem transkulturellen Prozess der Näherung den Boden zu bereiten.« ...
Aber der Band enthält auch Beiträge aus ganz anderen Disziplinen. Mit der Rolle Afrikas in der heute globalisierten Welt beschäftigt sich der Beitrag der Wirtschaftswissenschaftlerin Dela Apedjinou. Nach wie vor erscheint Afrika als ein mit negativen Schlagzeilen belegter Kontinent, der für eine sich globalisierende Welt von randständiger Bedeutung ist. Apedjinou vertritt die These, dass die bis heute gefahrenen Strategien, Afrika von seiner sogenannten Unterentwicklung zu befreien, im Kern kein anderes Ziel hatten, als diesen Kontinent in der ihm zugedachte Rolle, billige Arbeitskräfte und Rohstoffe zu liefern, zu zementieren. (S. 145) Insofern plädiert sie dafür eigene Strategien zur Entwicklung der afrikanischen Länder zu entwerfen. Michael Spöttel beschäftigt sich mit dem Image und der Realität afrikanischer Erfolge im Sport und Roland Kießling kritisiert in seinem Beitrag die Marginalisierung afrikanischer Sprachen und weist auf deren entscheidende Rolle im Prozess nationaler Bildung und Entwicklung hin.
Nur über eine Dekonstruktion des Zerrbildes von Afrika kann seine wissenschafts- und kulturgeschichtliche Wiederentdeckung eingeleitet und der Blick frei gemacht werden auf die Frage: Was trägt Afrika in Geschichte und Gegenwart zu Wissenschaften, Kultur, Kunst – und nicht zuletzt zur Philosophie – bei? Dieser Band ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Anke Graneß in polylog 29 (2013)